Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

Syphilis in Deutschland 2018: Stagnation auf hohem Niveau

Foto: nortys, photocase.de30. Januar 2020 – Das Robert Koch-Institut (RKI) hat zum Jahresende 2019 aktuelle Daten zur Entwicklung der Syphilis-Zahlen in Deutschland veröffentlicht.

Im Jahr 2018 wurden 7.332 Syphilis-Infektionen ans RKI gemeldet, dies entspricht einem Rückgang von 2,6 Prozent (192 Meldungen) im Vergleich zu 2017. Der seit 2010 beobachtbare Anstieg der Fallzahlen bei Männern stagniert erstmals auf hohem Niveau. In NRW wurden in 2018 1.796 Fälle gemeldet, auch hier stagnieren die Fallzahlen.


Geografische Verteilung

 Die bundesweite Syphilis-Inzidenz lag 2018 bei 8,8 pro 100.000 Einwohner*innen und damit leicht unter der Inzidenz von 2017 (9,1). Neben den drei Stadtstaaten Berlin (32,5), Bremen (10,3) und Hamburg (24,1) lag auch in NRW (10,0) die Inzidenz über dem Bundesdurchschnitt. Insgesamt zeigte sich eine hohe Varianz bezüglich der Entwicklung der Fallzahlen zwischen den verschiedenen Bundesländern, von -21,3 Prozent in Sachsen bis hin zu +31,1 Prozent in Bremen. Die Inzidenz in NRW blieb unverändert gegenüber der des Vorjahres.

Vergleichsweise hohe Inzidenzen von mehr als 20 Fällen pro 100.000 Einwohner*innen fanden sich in den Städten Düsseldorf (20,3) und Köln (42,7). Ein relativer Anstieg der Fallzahlen von mehr als 30 Prozent wurde innerhalb von NRW aus Bielefeld (+43,4 Prozent) berichtet, vorwiegend auf vermehrte Meldungen von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), zurückzuführen. Auf Bundesebene zeigte sich ein deutlicher Abfall in fast allen Berliner Innenstadtbezirken (bis zu -48,2 Prozent in Tempelhof-Schöneberg) und in München (-20,6 Prozent).


Verteilung nach Infektionsrisiken

Der Anteil der Infektionen, die vermutlich über sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen wurden, betrug 85 Prozent und blieb damit im Vergleich zum Vorjahr stabil. Der Anteil heterosexueller Übertragungen blieb mit 15,2 Prozent gleichfalls stabil. In absoluten Zahlen blieben die Meldungen von MSM, erstmals seit 2008, ebenfalls stabil, die Meldungen von heterosexuellen Personen fielen ab (Rückgang um 55 Fälle bei Männern und 30 Fälle bei Frauen).

Bei 62 Meldungen mit heterosexuellem Übertragungsweg wurden Kontakte zu Sexarbeiter*innen angegeben (7,3 Prozent). Dies betraf überwiegend Männer (93,6 Prozent) und entspricht einem leichten Anstieg im Vergleich zu 2017 (Anteil von 5,9 Prozent). Bei 10 Meldungen mit heterosexuellem Übertragungsweg wurde Ausübung von Sexarbeit angegeben (1,2 Prozent). Dies wiederum betraf überwiegend Frauen (80 Prozent) und entspricht einem leichten Abfall gegenüber 2017 (Anteil 2,5 Prozent).

Der Anteil der Diagnosen, die erst über ein Jahr nach dem wahrscheinlichen Infektionszeitpunkt gestellt wurden, betrug bei heterosexuellen Frauen 25 Prozent, bei heterosexuellen Männern 9,6 Prozent, bei MSM mit HIV 6,5 Prozent und bei HIV-negativen MSM 6,1 Prozent.


Diskussion

Das RKI diskutiert verschiedene Erklärungsmodelle für das uneinheitliche Bild, das sich aus den Zahlen für 2018 ergibt: Erstmals seit vielen Jahren Stagnation der Meldungen bei MSM, leichter Rückgang bei heterosexuellen Menschen, starker Rückgang insgesamt in einigen Ballungsgebieten (Berlin und München). Folgende mögliche Gründe für den auffälligsten Trend, den Rückgang in Berlin und München, werden genannt:

  • ein echtes epidemiologisches Geschehen, also ein echter Rückgang der Syphilis-Infektionen bei MSM in den genannten beiden Städten
  • die vermehrte Testung und Behandlung von Syphilis-Infektionen bei HIV-Negativen im Rahmen der Begleituntersuchungen zur HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) – allerdings ist es fraglich, ob der Effekt der erst 2016 zugelassenen und erst ab Oktober 2019 durch die Gesetzliche Krankenversicherung finanzierten PrEP bereits ablesbar ist
  • der aus einigen Schwerpunktpraxen in Großstädten berichtete Einsatz von Doxycyclin als STI-PrEP für Menschen mit vermehrten sexuellen Risikokontakten – allerdings ist die Methode aufgrund des damit einhergehenden erhöhten Antibiotika-Einsatzes umstritten und es liegen bislang keine belastbaren Daten vor
  • Fehler beim Meldeverfahren, die insbesondere in epidemiologisch besonders betroffenen Regionen zum Tragen kommen, da das oftmals angewendete vereinfachte Verfahren zur Identifizierung von Reinfektionen nicht der Falldefinition entspricht und damit zu einer Untererfassung führen kann

Aufgrund des insgesamt nach wie vor hohen Niveaus an gemeldeten Syphilis-Infektionen empfiehlt das RKI, weiterhin eine frühzeitige Diagnose und Behandlung zu priorisieren und das Bewusstsein hierfür sowohl in der Ärzteschaft als auch bei den relevanten Zielgruppen durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu stärken. Weiterhin sind ausreichende niedrigschwellige Beratungs- und Testangebote sowie Behandlungsangebote bereitzustellen. Der im November 2019 vom Bundestag beschlossene Wegfall des Arztvorbehalts für Schnelltests auf HIV, Hepatitits C und Syphilis kann laut RKI gerade für niedrigschwellige Einrichtungen eine Chance sein, ihr Testportfolio auch ohne durchgängige Anwesenheit ärztlichen Personals auszuweiten.

Das Epidemiologische Bulletin des RKI vom 12. Dezember 2019 finden Sie unter rki.de.

Weitere NRW-spezifische Daten finden Sie hier.

 

Wussten Sie schon: n = n: nicht messbar = nicht übertragbar?


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