Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

Bericht zur HIV/Aids-Prävention 2019|2020

Foto: Nalla Padam, photocase.deDer Bericht zur HIV/Aids-Prävention in Nordrhein-Westfalen 2019|2020 (PDF) fasst alle Aktivitäten der beteiligten Akteur*innen der Freien Trägerschaft und im Öffentlichen Gesundheitsdienst der Jahre 2019 und 2020 zusammen. Der Bericht trägt den Titel "Im Schatten der COVID-19-Pandemie".


Massiver Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die HIV/STI-Prävention

Die COVID-19-Pandemie hat einen massiven Einfluss auf die Angebote der HIV/STI-Prävention, der Beratung, des Tests, der Multiplikator*innen-Fortbildung und der Unterstützung der Selbsthilfe in Nordrhein-Westfalen. Dies machen die unterschiedlichen Ausprägungen der in 2019 und 2020 erhobenen Daten deutlich.

Aus den Unterschieden zwischen 2019 und 2020 lassen sich folgende Veränderungen ablesen:

  1. Die Einrichtungen haben große Anstrengungen unternommen, ihr Angebot an die Bedingungen der Pandemie anzupassen.
  2. Die Nutzung der Angebote sowie die Zusammensetzung der Nutzer*innen hat sich teilweise stark verändert.
  3. Der Zugang zu bestimmten Gruppen wurde durch die Pandemie deutlich verschlechtert.

Im Einzelnen sind folgende Entwicklungen zu beobachten:

Der Beratungsbedarf ist von 2019 auf 2020 deutlich angestiegen (2019: 131.742 Kontakte | 2020: 151.747 Kontakte | Zunahme um 15 %). Dabei ist festzustellen, dass nicht nur die Anzahl der Kontakte, sondern auch die Anzahl der beratenen Personen deutlich angestiegen ist (2019: ?68.084 | 2020: ?115.614). Besonders stark vertreten war hier die Gruppe der 25-bis-49-Jährigen mit einem Anteil an den Beratungskontakten von 66 %. Menschen mit 50 Jahren und älter wurden 2020 anteilig deutlich schlechter erreicht als im Vorjahr. Der Anteil der Beratungskontakte Menschen mit HIV fiel ab (2019: 28 % | 2020: 22 %). Auch der Anteil der Beratungskontakte mit Frauen verringerte sich (2019: 37 % | 2020: 24 %).

Die notwendigen Kontaktbeschränkungen, zum Beispiel Schulschließungen oder Verbot von Großveranstaltungen wie der Christopher Street Day (CSD), haben zu einem massiven Einbruch der personalkommunikativen Präventionskontakte im Rahmen von Projekten oder Veranstaltungen geführt (2019: 525.154 | 2020: 133.935 | Abnahme: rd. 75 %). Mit den verbliebenen Präventionskontakten konnten die 18-bis-24-Jährigen besonders schlecht erreicht werden (Anteil 2019: 24 % | Anteil 2020: 14 %).

Um das personalkommunikative Kontaktdefizit auszugleichen, wurden die Aktivitäten in den Online-Medien maximal verstärkt (2019: 1,1 Mio. | 2020: 4,1 Mio. | Anstieg um rd. 370 %). Dabei muss aber beachtet werden, dass nicht alle Zielgruppen mit Online-Angeboten gleich gut erreicht werden können. Auch in der Beratung spielten Onlinemedien eine prominente Rolle. Der Anteil der über Online-Medien sichergestellten Beratungen nahm deutlich zu (2019: 6% | 2020: 19 %).

Auch Fachberatungen und Fortbildungen für Multiplikator*innen sowie Menschen in der Arbeitswelt konnten nicht in gewohnter Weise umgesetzt werden. Die Kontakte zu Fachpersonal wie Lehrer*innen, Pflegekräfte und Personalverantwortliche in Unternehmen nahmen um rund die Hälfte ab (2019: 10.128 | 2020: 5.093 | Abnahme um rd. 50 %).

Die Unterstützung der Selbsthilfe von Menschen mit HIV war durch die Pandemie nur in einem verringerten Umfang möglich (2019: 9.730 Kontakte | 2020: 5.885 Kontakte | Abnahme um 40 %). Die verschiedenen Geschlechter wurden hier aber gleich gut erreicht. Angesichts der weiter bestehenden Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit HIV (siehe Hinweis zur Studie "positive stimmen 2.0" auf Seite 6), ist der massive Rückgang der Kontakte als besonders problematisch anzusehen.

Mit Beratungsangeboten besonderes gut erreicht wurden Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben. Ihr Anteil an den insgesamt angestiegenen Beratungskontakten machte 2020 53 % aus (2019: 31 %).
Alle anderen Zielgruppen wurden 2020 mit dem Beratungsangebot zu einem geringeren Anteil erreicht: I.v. Drogen gebrauchende Menschen, Menschen in der Sexarbeit, Menschen in Haft, Jugendliche und auch die sonstige Allgemeinbevölkerung.

Im Bereich der personalkommunikativen Präventionskontakte im Rahmen von Projekten und Veranstaltungen zeigt sich ein anderes Bild. Der Anteil der Kontakte mit Schwulen und andere Männer, die Sex mit Männern haben, nahm erheblich ab (2019: 39 % | 2020 17 %). Hier wurden vermutlich vor allem die ausgefallenen CSD-Veranstaltungen wirksam. Mit den insgesamt massiv reduzierten Präventionskontakten wurden i.v. Drogengebrauchende (IVD) und Jugendliche (JUG) mit einem gestiegenen Anteil erreicht (IVD: 2019: 12 % | 2020: 29 % - JUG: 2019: 22 % | 2020: 30 %).

Mehrere Freie Träger berichteten, dass sie ihr HIV/STI-Testangebot vor dem Hintergrund eingeschränkter Zugänglichkeit des Testangebotes des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) ausgeweitet haben. Gesundheitsämter haben, soweit ihnen das möglich war, ihre Angebote dahingehend verändert, dass zumindest die Beratung auch am Telefon oder online durchgeführt werden konnte. Es entstanden auch interessante Kooperationsprojekte, in denen das Beratungs- und Testangebot arbeitsteilig zwischen Freier Trägerschaft und ÖGD erfolgt.

Trotz aller Bemühungen sind aus Landesmitteln im Jahr 2020 rund 50 % weniger HIV-Tests durchgeführt worden. Zu HIV-Tests, die nicht aus Landesmitteln finanziert werden, liegen leider keine Daten vor.

Die Pandemie hat auch das Engagement von Ehrenamtlichen erschwert. Sowohl die Zahl der freiwillig geleisteten Stunden als auch die Zahl der ehrenamtlich tätigen Personen haben von 2019 auf 2020 abgenommen (Stunden: 2019: 43.701 | 2020: 29.930 | Abnahme um 32 %; Personen: 2019: 812 | 2020: 681 | Abnahme um 16 %).

Auch weiterhin wird der Verlauf der COVID-19-Pandemie die Angebote der HIV/STI-Prävention beeinflussen. Dem möglichen Anstieg von HIV-Spätdiagnosen sowie dem Verlust des Zugangs zu marginalisierten Gruppen muss so gut als möglich entgegengewirkt werden. Sollte die Pandemie abflachen, müssen die bestehenden Angebote auf ihre Niedrigschwelligkeit geprüft und, wo nötig, Zugangshürden wieder abgebaut werden.