Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

DRUCK-Studie: Beunruhigende Ergebnisse und jede Menge Herausforderungen

30. Juni 2016 - Bei intravenös konsumierenden Drogengebrauchenden sind Infektionen mit HIV, Hepatitis C und B deutlich stärker als in der Allgemeinbevölkerung verbreitet.

Um aktuelle Seroprävalenzdaten für HIV, HBV und HCV sowie Daten zu Wissen, Risiko- und Präventionsverhalten in Bezug auf diese Infektionen zu erfassen, initierte das Robert-Koch-Institut (RKI) 2011 die DRUCK-Studie (Drogen und chronische Infektionskrankheiten). Die Projektleitung hatte Dr. Ruth Zimmermann inne.

2.077 Drogengebrauchende, die innerhalb der letzten 12 Monate in der jeweiligen Studienstadt Drogen gespritzt hatten und mindestens 16 Jahre alt waren, wurden von 2011 bis 2014 durch ein Schneeballverfahren rekrutiert und in niedrigschwelligen Einrichtungen der Drogenhilfe in Berlin, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig und München interviewt und untersucht.


Beunruhigende Ergebnisse

Das RKI fasst seine Schlussfolgerungen aus den Studienergebnissen folgendermaßen zusammen:

  • Intravenös konsumierende Drogengebrauchende (IVD) sind eine von HCV und HIV besonders betroffene Gruppe, wobei sich bei allen Infektionen deutliche regionale Unterschiede zeigten, die unter anderem mit unterschiedlichen Konsummustern, verschiedener Altersstruktur der erreichten Städtepopulationen und lokalen Gegebenheiten erklärt werden können. Auch die HBV-Prävalenz und der Anteil chronischer Infektionen lag deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung, jedoch nicht in dem Ausmaß wie die anderen Infektionen. Dennoch besteht hoher Bedarf, die insgesamt niedrige HBV-Impfprävalenz zu verbessern. (...)
  • Trotz hoher HCV- und HIV-Testraten jemals war der Anteil aktuell getesteter Personen und insbesondere solcher, die ihren aktuellen Infektionsstatus kannten, nicht ausreichend. Hier ergibt sich ein deutliches Präventionspotential. Nicht nur die Kenntnis des eigenen Infektionsstatus war verbesserungsbedürftig, es zeigten sich auch deutliche Wissenslücken im Bereich Präventionsmöglichkeiten von HBV durch eine Impfung und der HIV-Übertragung durch effektive Therapie und Postexpositionsprophylaxe.
  • Zudem wurde bei etwa einem Fünftel der Teilnehmenden eine schlechte Kenntnis der Übertragungsmöglichkeit von HCV durch das Teilen von Filtern, Löffeln und Wassergefäßen festgestellt, was sich als Einflussfaktor für das Teilen dieser Utensilien herausstellte. Das Teilen von Spritzen und Nadeln war eher beeinflusst durch eine unzureichende Versorgung von je einer sterilen Nadel und Spritze je getätigter Injektion, die bei knapp der Hälfte der Teilnehmenden vorlag.
  • Hafterfahrung wurde von der Mehrheit der Teilnehmenden angegeben und zeigte sich als Einflussfaktor für eine HCV-Infektion: je häufiger und je länger insgesamt Personen inhaftiert waren, umso höher war die Wahrscheinlichkeit einer HCV-Infektion.
  • Verglichen mit anderen Gruppen in Deutschland, waren insbesondere die HCV-, aber auch die HIV-Therapierate der Teilnehmenden unbefriedigend
  • Die Möglichkeiten der Testung von und gezielten Kurzberatung bei Wissenslücken zu Infektionskrankheiten sowie ein HIV-Schnelltestangebot in Einrichtungen der Drogenhilfe haben sich als sehr gut akzeptiert erwiesen.


Konkrete Empfehlungen

Aus den Ergebnissen hat das RKI konkrete Empfehlungen abgeleitet, die sich an unterschiedliche Akteurinnen und Akteure richten:

  • Die bedarfsorientierte Ausgabe von Konsumutensilien (wie Spritzen, Nadeln, Filter, Löffel, Wasser zur Injektion) sollte flächendeckend implementiert werden.
  • Es sollten gezielte Kurzberatungen insbesondere bei Wissenslücken zu Transmissionswegen, insbesondere zu HCV, zur HBV-Impfung und HIV-Behandlung und PEP implementiert werden.
  • HIV-Testangebote  (z.B. HIV-Schnelltestung) und die Testung auf HCV (Antikörpertest und PCR) sollten als regelmäßiges Angebot implementiert werden.
  • Die Testung zu Infektionskrankheiten sollte von qualifizierter Beratung zur Bedeutung des Testergebnisses begleitet werden.
  • Es sollte ein regelmäßiges Schulungsangebot zur Qualifizierung von (nicht-medizinischem) Personal in niedrigschwelligen Drogenhilfen als (Test-)beratende implementiert werden. 
  • Es sollten nach Möglichkeit HBV-Impfkampagnen oder regelmäßige Impfangebote auch niedrigschwellig implementiert werden, verbunden mit einer Beratung zur Impfung.
  • Es sollten je nach lokalen Gegebenheiten Präventions-Angebote speziell für Frauen und ggf. für junge und neue IVD implementiert bzw. ausgebaut werden.
  • Der regelmäßige Kontakt mit IVD sollte besser zur HBV-Impfung genutzt werden, begleitet von einer Beratung zur Sinnhaftigkeit der Impfung.
  • Nach der letzten Boosterimpfung sollte entsprechend der STIKO-Empfehlungen der Impftiter gemessen und dokumentiert werden.
  • Personen, die fortgesetzt Infektionsrisiken ausgesetzt sind und einer Testung bedürfen, sollten regelmäßig auf HIV (Antikörpertest) und HCV (Antikörpertest und PCR) getestet werden. Das schließt eine Beratung zur Bedeutung des Testergebnisses ein.
  • Alle HIV- und HCV-Positiven sollten zur Prüfung einer Therapieindikation und Behandlung zu infektiologisch oder hepatologisch tätigen Ärzten und HIV-Schwerpunkteinrichtungen überwiesen werden.
  • Substituierte sollten gezielt zur HBV-Impfung, zur HIV-PEP und zur Möglichkeit einer HCV-Übertragung durch das Teilen von Filtern, Löffeln, Wassergefäßen und Sniefröhrchen informiert werden.
  • Das Suchtmedizinsystem sollte sich auf lokaler Ebene stärker mit niedrigschwelligem Setting und Infektiologie/HIV-Schwerpunkteinrichtungen/Hepatologie vernetzen.
  • Es sollte in diesen Einrichtungen flächendeckend ein HBV-Impfangebot, begleitet von einer Beratung zur Bedeutung der Impfung, implementiert werden.
  • Vertrauliche und freiwillige Testung auf HCV sollte ebenso wie die Testung auf HIV allen Inhaftierten angeboten werden, begleitet von einem Beratungsgespräch zur Erläuterung des Testergebnisses und Möglichkeiten der Behandlung.
  • Inhaftierte mit einer HIV- oder HCV-Infektion sollten der Behandlung zugeführt werden.
  • Inhaftierten IVD sollte der Zugang zu evidenzbasierten Maßnahmen der Prävention von HBV, HCV und HIV gewährt werden. Dazu sollte der Zugang zu einer ausreichend dosierten Opioidsubstitutionstherapie, zu Kondomen und Konsumutensilien verbessert werden.
  • Das Übergangsmanagement sollte hinsichtlich der Prävention von Unsafe use verbessert werden.
  • Die Ärzteschaft (Allgemeinärzte, Gynäkologen, Internisten, Infektiologen) insgesamt und die Suchtärzteschaft im Besonderen, sollte darüber informiert werden, dass Ärzte für IVD die wichtigste Informationsquelle zu HBV, HCV und HIV darstellen.
  • Die Ärzteschaft sollte über das Ausmaß und Art der Wissenslücken von IVD zu HBV, HCV und HIV informiert werden.
  • Die Ärzteschaft sollte die HBV-Indikationsimpfung bei den von der STIKO empfohlenen Gruppen (Drogengebrauchende, Inhaftierte, HIV-Infizierte, HCV-Infizierte) besser umsetzen. Nach der letzten Boosterimpfung sollte entsprechend der STIKO-Empfehlungen der Impftiter gemessen und dokumentiert werden.
  • Alle Ärzte incl. Suchtärzte, Ärzte in Rettungsstellen und im Krankenhaus, Allgemeinärzte und Hausärzte, die Testungen auf Infektionskrankheiten bei IVD durchführen, sollen dies mit einer ausführlichen Erläuterung des Testergebnisses verknüpfen.
  • Die Ärzteschaft sollte über den Verbesserungsbedarf der HCV- und HIV-Therapieraten von IVD informiert werden. Die Indikationsstellung und Durchführung der Therapie beider Infektionen soll leitliniengerecht erfolgen.
  • Insbesondere Frauen, junge Drogengebrauchende unter 25 Jahren und Personen, die erst kürzlich ihren injizierenden Konsum begonnen haben, sollten auf lokaler Ebene gezielt für Maßnahmen der Prävention erreicht werden.
  • Insgesamt ist zu empfehlen, dass sich vorhandene Strukturen auf lokaler Ebene (u.a. Drogenhilfe, Suchthilfe, Substitutionseinrichtungen, Infektiologie/Hepatologie) besser vernetzen und zusammenarbeiten.

Den ausgesprochen übersichtlich gestalteten Abschlussbericht der DRUCK-Studie mit vielen weiteren interessanten Details finden Sie unter rki.de.