Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

NRW-Koalition stellt sich gegen Sexkaufverbot

Foto: bernjuer, photocase.de9. September 2020 - Gestern hat der Landtag NRW einen Antrag der Landtagsfraktionen der CDU und FDP mit dem Titel "Nein! Zum Sexkaufverbot des Nordischen Modells – Betroffenen helfen und nicht in die Illegalität abschieben" veröffentlicht.

Aus Sicht der beiden Fraktionen würde ein Wechsel hin zum Nordischen Modell Prostitution in den Bereich der Illegalität, ins Dunkelfeld, verschieben. "Ein Sexkaufverbot unterbindet nämlich nicht die Prostitution an sich. Das erleben wir zurzeit in der Corona-Pandemie", fasst der Antrag die Einschätzung zusammen. Die Fraktionen sehen auch Reformbedarf beim Prostituiertenschutzgesetz und setzen sich für die Prüfung der zeitnahen Wiederaufnahme der durch die Coronaschutzverordnung derzeit untersagten sexuellen Dienstleistungen unter Beachtung entsprechender Hygieneschutzmaßnahmen ein.

Der Antrag steht auf der Tagesordnung der Plenarsitzung am 17. September 2020. Als Beratungsverfahren ist eine Überweisung an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen (federführend) sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorgesehen. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.


Prostitution als gesellschaftliche Realität anerkennen und die soziale und rechtliche Lage verbessern

Zur Beschlussfassung wird vorgeschlagen:

"Der Landtag stellt fest:

  • Prostitution ist gesellschaftliche Realität, eine, die mit Risiken verbunden ist. Es ist eine Aufgabe der Politik, Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung von Sexarbeitern vorzubeugen, in dem die soziale und rechtliche Lage von Prostituierten verbessert werden.
  • Die NRW-Koalition spricht sich gegen die Kriminalisierung von käuflichen sexuellen Dienstleistungen aus. Statt Verbote zu fordern, die lediglich einen Signalwert haben, in ihrer Effektivität aber zweifelhaft sind, müssen die Rechte von Prostituierten gestärkt und Maßnahmen entwickelt werden, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
  • Hierzu bedarf es einer Reform des Bundesprostituiertenschutzgesetzes unter Einbezug der Erkenntnisse aus den durchführenden Ländern bzw. Kommunen, um weitere Fehlentwicklungen zum Nachteil der Betroffenen zu verhindern.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • die zeitnahe Wiederaufnahme sexueller Dienstleistungen unter Beachtung entsprechender Hygieneschutzmaßnahmen zu prüfen.
  • weiterhin Streetworking-Projekte zu unterstützen und den Ausbau von niedrigschwelligen und ergebnisoffenen Fachberatungsstellen und Konzepten zur Unterstützung von Prostituierten zu fördern, da die Soziale Arbeit sowie spezifische Fachberatungsstellen über wirksame und fallorientierte Konzepte verfügen, um Menschen in der Prostitution bei Bedarf zu unterstützen. Wir benötigen Angebote, die Menschen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern von Sexarbeit erreichen.
  • begleitende Informations-, Aufklärungs- und Ausstiegsprogramme mit bereiten finanziellen Mitteln auszustatten und Informationsnetzwerke zu stärken, um für Betroffene den Zugang zu Informationen zu erhalten und ihre Rechte kenntlich zu machen.
  • durch gezielte Programme aus bereiten Mitteln, wie z. B. die Sicherung und Förderung von Sprachkompetenzen und das Aufzeigen alternativer Perspektiven, den Betroffenen zu ermöglichen, sich bei Bedarf anderweitig und neu orientieren und qualifizieren zu können, um im Arbeitsmarkt abseits der Sexindustrie integriert zu werden.
  • auch künftig Schutzräume und sichere Orte und Konzepte für Prostitution zu unterstützen, um den Arbeitsplatz für Prostituierte sicher zu machen, wie beispielsweise das Modell der sogenannten „Verrichtungsboxen“ in Köln oder Bonn, das mehr Schutz und Sicherheit für Prostituierte in der Straßenprostitution gibt.
  • niedrigschwelligen Zugang für Prostituierte zur Gesundheitsversorgung zu sichern. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und gesundheitlicher Beratung ist essenziell. Eine niedrigschwellige Gesundheitsberatung und die Möglichkeit einer Rückkehr in gesetzliche Krankenversicherung sind Voraussetzung hierfür.

Den Antrag finden Sie unter landtag.nrw.de.


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