Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

Leitfaden für Partizipation in der HIV/AIDS-Prävention

Die Partizipation (Teilhabe) von Menschen, die von HIV und AIDS bedroht oder betroffen sind, ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal für die Entwicklung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Auf diesen Grundsatz haben sich das Land Nordrhein-Westfalen, die Freien Träger und die Kommunen im Landeskonzept zur Weiterentwicklung der HIV/AIDS-Prävention verständigt.

Angesichts der Bedeutsamkeit der Partizipation für die Wirksamkeit der Prävention will die Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW mit diesem Leitfaden bereits in Nordrhein-Westfalen bestehende partizipative Arbeitsansätze unterstützen und weitere Akteur*innen für Methoden der Teilhabe begeistern.

Lassen Sie sich von den vorgestellten Projekten inspirieren und planen Ihr eigenes partizipatives Projekt. PARTIZIPATION WIRKT! MACHEN SIE MIT!

Wir danken der aidshilfe dortmund und der Aidshilfe Köln für ihre intensive Mitarbeit! Alle Angaben zur verwendeten Literatur finden Sie in der PDF-Version. Den gesamten Leitfaden finden Sie hier (PDF).

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PARTIZIPATION STÄRKT DIE HIV/AIDS-PRÄVENTION IN NORDRHEIN-WESTFALEN

Die Partizipation von Menschen, die von HIV und AIDS bedroht oder betroffen sind, ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal für die Entwicklung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Auf diesen Grundsatz haben sich das Land Nordrhein-Westfalen, die Freien Träger und die Kommunen im Landeskonzept zur Weiterentwicklung der HIV/AIDS-Prävention verständigt.

Partizipation stärkt die Bedarfsorientierung und Akzeptanz von Präventionsmaßnahmen. Sie verbessert den Zugang zu den Zielgruppen und das Wissen über deren Lebensrealität sowie die zeitnahe Wahrnehmung diesbezüglicher Veränderungen. So kann Prävention besser gelingen. Darüber hinaus durchbricht Partizipation die Rollentrennung zwischen Anbieter*innen und Zielgruppen der Prävention und aktiviert die Zielgruppen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen.

Gleichzeitig stellen partizipative Prozesse hohe Anforderungen an die Akteur*innen: Die Organisation muss Teilhabe ernst meinen und die Instrumentalisierung der Zielgruppe ausschließen. Partizipative Prozesse bedeuten einen Mehraufwand bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen. Sie sind zeitlich schwerer kalkulierbar.

Um Partizipation zu ermöglichen, benötigt man das richtige "Handwerkszeug". Es muss berücksichtigt werden, dass Partizipation für die Zielgruppen immer freiwillig ist und die Mitwirkungsressourcen verschiedener Zielgruppen unterschiedlich sind.

Die Entscheidungswege einer Organisation verändern sich und damit auch ihre Kultur. Nicht zuletzt stellt die Finanzierung solcher Prozesse oft ein Problem dar, da Geldgeber mit den Vorteilen und der Umsetzung partizipativer Methoden noch wenig vertraut sind.

Angesichts der Bedeutsamkeit der Teilhabe für die Wirksamkeit der Prävention will die Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW mit diesem Leitfaden bereits in Nordrhein-Westfalen bestehende partizipative Arbeitsansätze unterstützen und weitere Akteur*innen für Methoden der Teilhabe begeistern.

Der Leitfaden zeigt anhand praktischer Beispiele, welche Fragen Sie sich zu Anfang solcher Prozesse stellen sollten, um einen bestmöglichen Beteiligungsgrad erreichen zu können, welche Entwicklungen möglich sind, wie Sie mit Kulturveränderungen und Konflikten umgehen können, und welchen Nutzen Ihre Organisation aus der Beteiligung ziehen kann.

Der Praxisteil wird ergänzt durch eine Auflistung bereits vorhandener Handbücher zum Thema Partizipation, denen Sie Details zum fachlichen Hintergrund, Methoden der Umsetzung und weitere praktische Beispiele entnehmen können.

Wir danken den beteiligten Organisationen aidshilfe dortmund e.V. und Aidshilfe Köln e.V., dass sie uns ihre Erkenntnisse zur Verfügung gestellt haben!

Wir freuen uns, wenn weitere Organisationen ihre Erfahrungen in den Leitfaden einbringen. Wenden Sie sich in diesem Fall an die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW.

PARTIZIPATION WIRKT! MACHEN SIE MIT!

(Auszüge aus einem Vortrag von Katharina Benner, Der Paritätische NRW, für die Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW am 31. Mai 2016)

Partizipation ist "die individuelle oder auch kollektive Teilhabe an Entscheidungen, die die eigene Lebensgestaltung und die eigene soziale, ökonomische und politische Situation und damit immer auch die eigene Gesundheit betreffen".

Partizipation ist in unserer Gesellschaft grundsätzlich von Bedeutung, da die Teilhabe von Menschen an der Meinungsbildung und an Entscheidungen einen elementaren Grundpfeiler der Demokratie darstellt.

Teilhabe ist aber auch für den Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung von großem Belang: Partizipation stärkt die Bedarfsorientierung von Angeboten und die Selbsthilfekompetenz der Zielgruppen. Zudem erhöht sie die Akzeptanz von Präventionsmaßnahmen, da die Zielgruppen wahrnehmen, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden, und sie sich mit der Expertise in eigener Sache aktiv einbringen können.

Auch im Landeskonzept zur Weiterentwicklung der HIV/AIDS-Prävention haben die Akteur*innen festgestellt, dass wirksame Prävention der Einbindung von Menschen aus den besonders betroffenen Zielgruppen, der Selbsthilfe und des Ehrenamts bedarf.

Die Gestaltung von Partizipation ist meist ein Prozess, der mit Vorstufen der Teilhabe beginnt und sich zu intensiveren Formen weiterentwickelt. Welche unterschiedlichen Ebenen der Beteiligung möglich sind, verdeutlicht am besten das Stufenmodell der Partizipation.

Partizipation birgt für die Träger der Prävention einige Herausforderungen, die nur zu bewältigen sind, wenn die Träger ihr Ziel ernsthaft verfolgen. Schließlich erfordert Partizipation für die meisten Organisationen einen Haltungs- und Kulturwandel – hin zu größerer Transparenz und zu der Bereitschaft, Macht zu teilen.

Da die Teilhabe für die jeweiligen Zielgruppen freiwillig ist und bleibt, gilt es, die Mitglieder der Zielgruppen immer wieder neu für eine Beteiligung zu begeistern und für die Mitarbeit zu gewinnen. Gerade Zielgruppen mit wenigen Ressourcen, die gesellschaftlich stark diskriminiert sind, fordern die Kreativität und Flexibilität der Träger hierbei besonders heraus.

Der zusätzliche Aufwand der Träger bei der Vorbereitung und Durchführung wird in aller Regel mit einem Zusatzertrag an neuen Erkenntnissen und Projektideen belohnt werden. Gleichwohl muss zumindest ein Teil der neuen Ideen die Chance zur Umsetzung erhalten, will man die beteiligten Zielgruppen nicht langfristig frustrieren.

Bestehende Erfahrungen zeigen, dass es Rahmenbedingungen gibt, die die Umsetzung partizipativer Arbeitsansätze erleichtern bzw. fördern: Je bedeutsamer ein demokratisches Selbstverständnis für die Identität der jeweiligen Organisation ist, umso leichter wird sie partizipative Prozesse integrieren können. Auch (förder-)rechtliche Rahmenbedingungen können die Partizipation unterstützen, wie zum Beispiel die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe durch geeignete Verfahren der Beteiligung nach § 45 (2) Sozialgesetzbuch VIII, oder die Unterstützung der Mitbestimmung älterer oder pflegebedürftiger Menschen und Menschen mit Behinderung bei der Gestaltung von Wohn- und Betreuungsangeboten durch einen Nutzerinnen- und Nutzerbeirat nach § 22 Wohn- und Teilhabegesetz.

Damit ein Träger Partizipation langfristig in seine Projektentwicklung und -umsetzung integriert, darf selbstverständlich auch der Erfolg für die Organisation nicht ausbleiben: Die beste Bestätigung für partizipative Ansätze ist ein besserer Zugang zu den Zielgruppen, die erreicht werden sollen.

Die kleine Show | Aidshilfe KölnChristoph Klaes, hauptamtlicher Mitarbeiter der Aidshilfe Köln für den Bereich "Schwule Prävention und Vor-Ort-Arbeit", erzählt, was "Die kleine Show" ist, wie sie entstand, und welche Erfahrungen die Aidshilfe Köln mit dem partizipativen Projekt gemacht hat.

AG AIDS-Prävention NRW: Können Sie kurz beschreiben, was "Die kleine Show" ist?

Christoph Klaes: "Die kleine Show" ist ein schrill-kunterbuntes Abendprogramm, zusammengesetzt aus Comedy, Tanz, Gesang, und Travestie. Sie findet seit 2011 einmal pro Jahr in den Räumen der Aidshilfe Köln statt. Hauptakteure des Programms sind Mitglieder des Herzenslustteams der Aidshilfe. Das Team besteht aus schwulen Männern, die ehrenamtlich in der Szene Prävention machen.

AG AIDS-Prävention NRW: Das klingt auf den ersten Blick mehr nach Unterhaltung als nach HIV-Prävention. Was hat die Aidshilfe bewogen, das Projekt zu starten?

Christoph Klaes: Auch wenn wir grundsätzlich möglichst niedrigschwellig arbeiten, gibt es immer Menschen, die sich schwer tun, die Aidshilfe aufzusuchen. Wir haben nach einem Weg gesucht, vor allem schwule Männer zu erreichen, die bisher noch keinen Kontakt zur Aidshilfe Köln hatten. Dass wir uns gemeinsam für eine Show entschieden haben, hat auch damit zu tun, dass das Team über viele darstellerische Talente verfügt. Es ist wichtig, an den vorhandenen Fähigkeiten und Begabungen anzuknüpfen. Außerdem unterstützt uns auf der Bühne Erika Laste (eine in Köln und darüber hinaus bekannte Kunst- und Bühnenfigur) tatkräftig.

AG AIDS-Prävention NRW: Die Entwicklung und Umsetzung eines ganzen Abendprogramms, das klingt relativ aufwendig.

Christoph Klaes: Der Aufwand hält sich sehr in Grenzen. Das Projekt soll überschaubar bleiben. Schließlich sind die Beteiligten auch darüber hinaus ehrenamtlich tätig. Die Vorbereitung erfolgt mit einer Vorprobe und vier Proben im Laufe eines Monats. Hinzu kommt natürlich der Zeitaufwand für die Veranstaltung selbst.

AG AIDS-Prävention NRW: Wer entscheidet, welche Showacts tatsächlich auf der Bühne landen? Entscheiden Sie mit?

Christoph Klaes: Grundsätzlich die Gruppe selbst. Bei der Vorprobe werden alle Vorschläge gesichtet, und dann wird entschieden, was Teil des Programms wird. Wenn ich glaube, dass etwas nicht funktionieren wird, sage ich das. Das heißt aber nicht, dass die Gruppe meiner Meinung folgt. Das muss ich dann aushalten.

AG AIDS-Prävention NRW: Können Sie sich Programmvorschläge vorstellen, bei denen Sie aktiv einschreiten würden?

Christoph Klaes: Natürlich, auch auf der Bühne gelten die Grenzen, die das Leitbild der Aidshilfe Köln setzt. Da sich unsere Ehrenamtlichen intensiv mit der Haltung und den Arbeitsinhalten der Aidshilfe Köln auseinandergesetzt haben (Konzept zur ehrenamtlichen Arbeit der Aidshilfe Köln), ist es aber relativ unwahrscheinlich, dass jemand total daneben greift.

AG AIDS-Prävention NRW: Kommt die Aidshilfe im Programm auf irgendeine Weise vor oder vermeiden Sie das?

Christoph Klaes: Wir streuen kleine Hinweise auf die Angebote der Aidshilfe Köln und des Checkpoints in die Zwischenmoderationen ein, aber das darf man nicht übertreiben. Sonst ginge der Unterhaltungscharakter verloren.

AG AIDS-Prävention NRW: Nicht jede*r mag sich auf die Bühne stellen. Machen alle Mitglieder des Herzenslustteams mit?

Christoph Klaes: Die Beteiligung ist selbstverständlich freiwillig. Um den Abend zu realisieren, brauchen wir aber auch Menschen, die nicht auf der Bühne stehen: Die Regie, die Künstlerbetreuung, die Menschen, die die Bar machen …

AG AIDS-Prävention NRW: "Die kleine Show" hat inzwischen schon sieben Mal stattgefunden. Ist das eingetroffen, was sich alle erhofft hatten? Kann die Show für einen besseren Zugang zur Aidshilfe sorgen?

Christoph Klaes: Die größte Überraschung des Projektes war die riesige Resonanz. Das Programm zieht ganz verschiedene Menschen aus der Zielgruppe an, offensichtlich gerade weil es keine Veranstaltung zu HIV ist. Ist die Türschwelle ein erstes Mal überschritten, ist es anscheinend nicht mehr so schwer, auch ein anderes Angebot der Aidshilfe wahrzunehmen. Jedes Mal, wenn in der Beratung jemand sagt "Ich kenn Euch ja aus der kleinen Show", ist das ein großer Erfolg für alle Beteiligten.

AG AIDS-Prävention NRW: Sind das seit Beginn immer die gleichen Ehrenamtlichen?

Christoph Klaes: Es gibt natürlich auch Wechsel. Es bleibt aber immer eine gute Mischung aus Leuten, die schon länger dabei sind, und neuen.

AG AIDS-Prävention NRW: Was hält die Leute bei der Stange?

Christoph Klaes: Mein Eindruck ist, dass das stärkste Motiv idealistisch ist, nämlich neue Menschen zu erreichen. Als Mitglieder des Herzenslustteams haben sie sowieso Spaß an aktionsorientierten Maßnahmen. Und natürlich ist auch spannend, etwas Neues zu machen. Aber das scheint mir nicht vorrangig zu sein.

AG AIDS-Prävention NRW: Welche Fähigkeiten fordert das Projekt von Ihnen als Hauptamtlichem?

Christoph Klaes: Meine Aufgabe ist es zuzulassen, dass andere etwas ausprobieren und entwickeln, und sie in diesem Prozess zu unterstützen. Das heißt auch: Geduld haben, Ideen aufgreifen, flexibel bleiben. Und das gilt nicht nur für mich, sondern für die ganze Organisation. Genauso wichtig ist es, Dinge, die nicht direkt mit dem Projekt zu tun haben, selbst in die Hand zu nehmen, um Überlastungen bei den Ehrenamtlichen zu vermeiden. Zum Beispiel kümmere ich mich um notwendige Absprachen mit anderen Kolleg*innen im Haus. Manchmal muss ich auch zu große Erwartungen der Ehrenamtlichen eingrenzen, wenn die Planungen zu umfangreich werden, als dass wir sie als Aidshilfe noch umsetzen könnten.

AG AIDS-Prävention NRW: Bei "zu umfangreich" fällt mir natürlich gleich die Frage nach der Finanzierung ein …

Christoph Klaes: Für das Projekt brauchen wir relativ wenig Sachkosten. Die notwendige Technik stellt uns ein Sponsor zur Verfügung. Die Kostüme suchen wir aus dem hauseigenen Fundus zusammen. In die Dekoration investieren wir nicht so viel. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass die Entwicklung und Umsetzung solcher Projekte Geduld und Zeit brauchen, also auch erhebliche Personalkosten auf der Seite der Hauptamtlichen entstehen.

AG AIDS-Prävention NRW: Trotzdem "leistet" sich die Aidshilfe Köln diesen Aufwand. Warum?

Christoph Klaes: Wenn die Zielgruppe der Prävention, also in diesem Fall schwule Männer, Teil der Entwicklung und Umsetzung von Präventionsideen ist, ist das immer ein Zugewinn. Wir denken gemeinsam darüber nach, welcher Bedarf besteht, welche Veränderungen wir in der Szene beobachten und wie wir darauf reagieren. Ziele und Aktionen werden intensiver reflektiert, mit Menschen, die einerseits Teil der Szene und andererseits Teil der Aidshilfe Köln sind. Kurz: Wir sind einfach näher dran. Davon abgesehen wirken die Ehrenamtlichen als Multiplikator*innen in ihren privaten Strukturen. Auch das ist unbezahlbar.

INHALT
Unterhaltungsshow mit Kitsch, Kuriosem, Kultigem und Trash

WEITERE INFORMATIONEN
https://de-de.facebook.com/DieKleineShow/

ZIELE
Die Aidshilfe Köln suchte nach Möglichkeiten, die Organisation für schwule Männer attraktiv zu machen, die die Angebote der Aidshilfe bisher nicht nutzen. Zu diesem Zweck wurde eine Unterhaltungsshow entwickelt, die in den Räumen der Aidshilfe Köln stattfindet.

AKTEURE* UND DEREN HINTERGRUND
Die Akteure* von "Die kleine Show" sind aus dem Herzenslustteam der Aidshilfe Köln. Das ehrenamtliche Team gestaltet Präventionsaktionen für die schwule Szene Kölns und steht zu Fragen der sexuellen Gesundheit zur Verfügung. Die Ehrenamtlichen sind Teil der Zielgruppe.

ZEITRAUM
Seit 2011 findet „Die kleine Show“ einmal pro Jahr statt. Die Vorbereitung erfolgt mit einer Vorprobe und vier Proben im Laufe eines Monats. Hinzu kommt der Zeitaufwand für die Veranstaltung selbst.

FÖRDERLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
Eine wichtige Basis für die Beteiligung ist das Ehrenamtskonzept der Aidshilfe Köln: Eine Voraussetzung für die Beteiligung innerhalb der Organisation ist die Teilnahme an Fortbildungen, die sowohl Grundsätzliches zur Aidshilfe und zu deren Arbeitsfeldern als auch bereichsspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten für die Vor-Ort-Arbeit, zum Beispiel zu den Themen Präsenz, Kommunikation und Szene, vermitteln. Für die Mitarbeit im ehrenamtlichen Vor-Ort-Team ist die Teilnahme an monatlichen Teamtreffen, an drei Kreativtreffen pro Jahr und an Fortbildungen verbindlich. Darüber hinaus wird eine regelmäßige Beteiligung an den Vor-Ort-Aktionen in der schwulen Szene erwartet.

ANSPRECHPARTNER
Aidshilfe Köln e.V. | Beethovenstraße 1 | 50674 Köln
Tel. 0221 202030 | E-Mail info@aidshilfe-koeln.de | aidshilfe-koeln.de
Christoph Klaes, Fachbereiche Beratung & Test | Leitung des Checkpoint der Aidshilfe Köln

Gesundheitsmediator | aidshilfe dortmundWillehad Rensmann ist Geschäftsführer der aidshilfe dortmund. Die aidshilfe dortmund betreibt unter anderem die Drogenhilfeeinrichtung k!ck. Das k!ck bietet grundlegende Hilfen, um Überleben zu sichern, Schäden im Zusammenhang mit Drogengebrauch zu vermeiden oder zu reduzieren sowie Wege zum Ausstieg aufzuzeigen. Zum Angebot gehören das Kontaktcafé, individuelle Beratung und Unterstützung, eine drogentherapeutische Ambulanz und ein Konsumraum.

AG AIDS-Prävention NRW: Können Sie das Gesundheitsmediatoren*-Projekt in einem Satz zusammenfassen?

Willehad Rensmann: Russischsprachige drogengebrauchende Menschen informieren andere russischsprachige Szeneangehörige zu Fragen der Gesundheit, zum Umgang mit Drogennotfällen und zu den Unterstützungsangeboten in Dortmund.

AG AIDS-Prävention NRW: Die Beteiligung aktiver User* an gesundheitsfördernden Maßnahmen ist in Deutschland nicht gerade Standard. Wie sind Sie darauf gekommen?

Willehad Rensmann: Das k!ck ist mit 800 bis 1.000 Besucher*innen im Jahr ein gut genutztes Angebot. Aber der russischsprachige Teil der Szene war kaum vertreten, konnte also weder von unseren noch von anderen Angeboten des Dortmunder Hilfesystems profitieren. Uns war klar, dass wir diese Zugangshürde nur zusammen mit der Zielgruppe überwinden können.

AG AIDS-Prävention NRW: Wen haben Sie angesprochen beziehungsweise für das Projekt ausgewählt?

Willehad Rensmann: Angesprochen haben wir Menschen, die das k!ck schon sporadisch besucht hatten, zu denen wir also eine kleineVerbindung hatten. Gesucht haben wir Menschen, die in ihrer Szene anerkannt sind, als Meinungsführer*innen fungierten. Die sechs Personen, die schlussendlich die Streetwork-Einsätze durchgeführt haben, waren alle männlich. Das ist vermutlich kein Zufall.

AG AIDS-Prävention NRW: Wie wurden die Mediatoren* auf ihre Tätigkeit vorbereitet?

Willehad Rensmann: Wir haben in wöchentlichen Gruppentreffen Basiswissen zu HIV, Hepatitis, Safer Use und Safer Sex, Umgang mit Drogennotfällen und zum Hilfesystem erarbeitet. Die Intensität und Dauer der Treffen wurde nach und nach gesteigert. Ein weiterer wichtiger Baustein war die gemeinsame Vorbereitung der konkreten Vor-Ort-Einsätze: Wie sollen sie ablaufen? Welche Szeneorte sind wichtig? Wie kann die Ansprache aussehen? Im letzten Teil der Gruppentreffen wurden sowohl das Informationsmaterial für die User* als auch die Ausrüstung der Mediatoren* (Jacken mit Logo und Projektrucksäcke) entwickelt. Alles in allem haben wir dafür dreieinhalb Monate gebraucht.

AG AIDS-Prävention NRW: Und dann ging‘s in die Szene?

Willehad Rensmann: Ja, kontinuierlich einmal pro Woche, in Zweier- und Dreierteams, erst mit und dann ohne Projektkoordinator. Monatlich haben die Mediatoren 150 bis 200 Gespräche mit User*n geführt und Unmengen von Spritzen getauscht. Auch während der Streetworkphase wurden die Mediatoren* vom Projektkoordinator unterstützt. Es gab regelmäßige Treffen und Gespräche. Der regelmäßige Kontakt zum k!ck war außerdem durch das wöchentliche Auffüllen der Rucksäcke gegeben.

AG AIDS-Prävention NRW: Gegen Ende des Projektes haben Sie noch eine andere Variante ausprobiert?

Willehad Rensmann: In der letzten Phase wurde das Mediatoren*-Team wieder vom Projektkoordinator begleitet; unterschiedliche Szeneorte wurden mit einem Kleinbus angefahren. Beide Varianten erwiesen sich als sinnvoll. Ohne Koordinator war das Angebot basisnäher. Mit dem Koordinator konnten zum Beispiel auch weitergehende Fragen der User* beantwortet werden.

AG AIDS-Prävention NRW: Es ist schon deutlich geworden, dass mit dem Projekt viel Wissen in die russischsprachige Szene transportiert werden konnte. Welche neuen Erkenntnisse haben die aidshilfe dortmund und ihre Mitarbeiter*innen gewonnen?

Willehad Rensmann: Wir hatten am Anfang ein sehr undifferenziertes Bild der russischsprachigen Szene. Wir hatten zudem Zweifel, ob wir mit aktiven User*n ein verbindliches Angebot gestalten können. Tatsächlich zeigte sich, dass russischsprachige Drogengebraucher*innen über eine hohe Motivation verfügen, sich untereinander zu unterstützen. Auch Kontinuität und Verbindlichkeit waren trotz eines geringen monetären Anreizes (10 Euro/Woche und ein Monatsticket für den ÖPNV) nicht wirklich ein Problem. Bei Krisen haben sich die Mediatoren* auch sehr gut gegenseitig unterstützt.

AG AIDS-Prävention NRW: Was ist durch das Projekt neben den schon genannten Kontakten zu User*n und dem besseren Einblick in die Szene erreicht worden?

Willehad Rensmann: Die Inanspruchnahme des k!ck durch russischsprachige Drogengebraucher*innen ist deutlich gestiegen. Außerdem konnten wir zielgruppennahe, ortsbezogene Informationen gewinnen, von denen wir heute noch profitieren. So wurde zum Beispiel innerhalb des Projektes eine Liste von ärztlichen Praxen erstellt, die über russischsprachige Mitarbeiter*innen verfügen. Und ein weiterer Aspekt ist ebenfalls nicht zu vernachlässigen: Bei allen Mediatoren* hat eine psychosoziale Stabilisierung zu stabileren Konsummustern beigetragen, zwei von ihnen haben im Projektverlauf eine Substitutionsbehandlung aufgenommen, einer eine Hepatitis-Therapie.

AG AIDS-Prävention NRW: Welche Faktoren waren auf Seiten der aidshilfe dortmund besonders wichtig für den Erfolg?

Willehad Rensmann: An erster Stelle steht die Haltung der Mitarbeiter*innen. Wenn Partizipation nicht gewollt ist, findet sie auch nicht statt. Das Mediatoren*-Projekt wurde nicht nur von dem Projektkoordinator, sondern auch von allen anderen Kolleg*innen unterstützt. Partizipation benötigt zudem das richtige Handwerkzeug, zum Beispiel die "Motivierende Gesprächsführung". Gegebenenfalls muss man hier in Fortbildung investieren. Wichtig war sicherlich ebenfalls, dass das k!ck für die Mediatoren* konstant als Anlaufstelle zur Verfügung stand, sodass bei Fragen oder Problemen das Gespräch gesucht werden konnte.

AG AIDS-Prävention NRW: Das Projekt wurde 2013 mit dem Hans-Peter-Hauschild der Deutschen AIDS-Hilfe für besondere Verdienste in der HIV-Prävention ausgezeichnet. Auch darüber hinaus haben Sie viel positive Resonanz erhalten. Trotzdem ist das Projekt ausgelaufen. Wie ist das zu erklären?

Willehad Rensmann: Schon die erste Finanzierung durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Deutsche AIDS-Hilfe konnte unseren tatsächlichen Aufwand nicht decken. Und trotz vieler lobender Worte ist es uns nicht gelungen, eine Anschlussfinanzierung sicherzustellen. Die Partizipation der Zielgruppe an der Entwicklung und Umsetzung von Angeboten trägt zu einer besonderen Qualität der Maßnahmen bei. Gleichzeitig bedeutet die Ermöglichung wirklicher Teilhabe aber auch einen besonderen Aufwand. Es dauert einfach länger, eine Gruppe Menschen zu qualifizieren und mit ihnen zusammen Materialien zu entwickeln, als wenn ich allein eine Infobroschüre schreibe. Ich würde mir wünschen, dass die Politik zukünftig die Partizipation in ihre Förderstruktur einbezieht, wie sie das auf Landesebene hinsichtlich des bürgerschaftlichen Engagements schon viele Jahre macht.

INHALT
Russischsprachige Drogengebrauchende informieren weitere Mitglieder der Szene zu HIV, Hepatitis, Umgang mit Drogennotfällen und dem Hilfesystem.

WEITERE INFORMATIONEN
akzept e.V. Bundesverband et al. (Ed.): Alternativer Sucht- und Drogenbericht. 2014, S. 101-104

ZIEL
Die aidshilfe dortmund wollte denn Zugang zum russischsprachigen Teil der Dortmunder Drogenszene verbessern. Ziel war die Gesundheitsförderung der Zielgruppe sowie die Schaffung besserer Zugänge zum weiteren Hilfesystem.

AKTEURE* UND DEREN HINTERGRUND
Die Akteure* des Gesundheitsmediatoren*-Projektes waren drogengebrauchende Männer, die aus den GUS-Staaten stammen. Die beteiligten Gesundheitsmediatoren* waren als Meinungsführer* in ihrer Szene anerkannt.

ZEITRAUM
2011 bis 2013 (18 Monate)

FÖRDERLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
Die Mediatoren* wurden über dreieinhalb Monate in wöchentlichen Gruppentreffen ausgebildet. Die Ausbildung umfasste die Wissensvermittlung zu HIV, Hepatitis, Drogennotfällen und Hilfesystem, die Vorbereitung der Vor-Ort-Einsätze, aber auch die Entwicklung des Informationsmaterials für die User* sowie die Entwicklung der Ausstattung der Mediatoren*. Für die Mitarbeit gab es einen kleinen finanziellen Anreiz. Alle Mitarbeiter*innen der aidshilfe dortmund bzw. des k!ck haben das Projekt unterstützt. Sie verfügten über genügend Methodenkenntnisse und ausreichend Flexibilität, um Menschen aus der Zielgruppe zu gewinnen und einzubeziehen. Das k!ck stand für die Mediatoren* als Anlaufstelle kontinuierlich zur Verfügung.

ANSPRECHPARTNER
aidshilfe dortmund e.v. | Gnadenort 3-5 | 44135 Dortmund
Tel. 0231 1888770 | E-Mail info@aidshilfe-dortmund.de | https://www.aidshilfe-dortmund.de/
drogenhilfeeinrichtung kick | Eisenmarkt 5 | 44137 Dortmund
Tel. 0231 47736990 | E-Mail info@kick-dortmund.de | http://www.kick-dortmund.de/
Willehad Rensmann, Geschäftsführer

Sie planen ein Projekt oder eine dauerhafte Maßnahme, bei dem die Zielgruppe an der Entwicklung und Umsetzung beteiligt sein soll? Folgende Fragen sollen Ihre Planung unterstützen:


ZUR ORGANISATION

  • Wie schätzen Sie die Haltung Ihrer Organisation zu Partizipation ein? Ist ein ernsthaftes Bemühen, Partizipation zu befördern, vorhanden?
  • Wie schätzen Sie die Transparenz und Strukturierung Ihrer Organisation ein? Wird es gegebenenfalls Externen leicht fallen, mit Ihrer Organisation zusammenzuarbeiten?
  • Wie schätzen Sie die Ressourcen Ihrer Organisation für partizipative Prozesse ein?
  • Ist Ihre Organisation in der Lage, mit dem gegebenenfalls aus partizipativen Prozessen entstehenden Zusatzertrag an Ideen, Erkenntnissen und Bewertungen umzugehen?


ZU DER MASSNAHME

  • Welche Ziele verfolgen Sie mit der Maßnahme? Für die Zielgruppe? Für Ihre Organisation?
  • Was will Ihre Organisation lernen?
  • Welcher Zugewinn soll mit der Beteiligung der Zielgruppe erreicht werden?
  • Wie offen kann/darf das Maßnahme-Ergebnis sein? Wie viel Raum ist für aktuell noch nicht absehbare Entwicklungen im Beteiligungsprozess?
  • Welchen Grad der Beteiligung streben Sie an? Soll der Beteiligungsgrad schrittweise erhöht werden oder von Anfang an einer bestimmten Stufe entsprechen?
  • Haben Sie ausreichenden Kontakt zur Zielgruppe, um Menschen für eine Beteiligung zu gewinnen?
  • Ist das Projekt überschaubar oder sehr komplex? Passt die Maßnahme-Struktur mit den bei der Zielgruppe angenommenen Ressourcen zusammen?
  • Wie soll die strukturelle Einbindung der sich Beteiligenden in Ihrer Organisation erfolgen? Wird es eine eindeutige Anlaufstelle in Ihrer Organisation geben?


ZU DEN MITARBEITER*INNEN IHRER ORGANISATION

  • Wie können Sie die Mitarbeiter*innen für partizipative Ansätze und ihre neue Rolle darin gewinnen?
  • Haben die Mitarbeiter*innen genügend Methodenkenntnisse, um die Entwicklung und Umsetzung der Maßnahme partizipativ zu gestalten oder wäre eine Qualifizierung sinnvoll?
  • Wer soll den Beteiligten als Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen? Sind die Personen geeignet, andere dabei zu unterstützen, etwas zu entwickeln, koordinative Aufgaben zu übernehmen, auf unvorhersehbare Entwicklungen flexibel zu reagieren, und die Grenzen der Beteiligung zu kommunizieren?


ZU DEN BETEILIGTEN

  • Sind die Menschen, die Sie beteiligen wollen, mit Ihrer Organisation schon länger verbunden oder wird das der erste intensivere Kontakt sein?
  • Sollen die zu Beteiligenden besondere Kompetenzen oder Eigenschaften bereits mitbringen?
  • Was könnte die geeigneten Menschen überzeugen, bei der Maßnahme mitzumachen? Welchen ganz persönlichen Nutzen erwarten Sie für die zu Beteiligenden?
  • Über welche Ressourcen verfügen die zu Beteiligenden? Haben sie besondere Fähigkeiten oder verfügen sie über ein besonderes Wissen? Sind die Lebensumstände der Zielgruppe belastend? Und wenn ja, in welcher Weise? Verfügen die zu Beteiligenden grundsätzlich über viel oder wenig Zeit?
  • Welche Anforderungen werden Sie an die Beteiligten konkret (wöchentlicher oder monatlicher Zeitaufwand, Gesamt-Dauer der Maßnahme, Art und Intensität der Beteiligung) stellen?
  • Müssen die Beteiligten Schritt für Schritt an Wissenserwerb und Projektentwicklung herangeführt werden oder sind solche Arbeitsformen für sie Alltag?
  • Wie stellen Sie sicher, dass die Beteiligten das Leitbild und die Ziele Ihrer Organisation ausreichend kennen?
  • Wie stellen Sie sicher, dass die Beteiligten über ausreichend Wissen und Kompetenzen verfügen, um bei der Entwicklung und Umsetzung der Maßnahme auf Augenhöhe beteiligt sein zu können?


ZUM PROZESS

  • Wie soll die Begleitung der sich Beteiligenden aussehen? Gibt es verbindliche regelmäßige Treffen? Können die Beteiligten auch zu anderen Zeiten Fragen klären oder Erfahrungen reflektieren?


ZUR FINANZIERUNG

  • Ist den Zuwendungsgebern die besondere Qualität partizipativ gestalteter Maßnahmen (z.B. zusätzliche Unterstützung bei der Ermittlung des Bedarfs der Zielgruppe, breiter getragene Reflexion über Entwicklungen, Flexibilität hinsichtlich des Aufgreifens neuer Themen, Niedrigschwelligkeit der Maßnahmen) nahegebracht worden?
  • Ist mit den Zuwendungsgebern besprochen worden, dass sich die Abläufe partizipativ gestalteter Maßnahmen nicht immer ganz konkret vorhersehen lassen?
  • Haben Sie bei den gegebenenfalls notwendigen Anträgen auf Finanzierung zeitliche Puffer für aktuell noch nicht absehbare Entwicklungen oder Hindernisse eingebaut?