Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

HIV-Studien und HIV-Projekte am Robert Koch-Institut

HIV-Studien und HIV-Projekte am RKI16. Januar 2020 - Zum Jahresende 2019 stellte das Robert Koch-Institut (RKI) im Epidemiologischen Bullletin Nr. 49 verschiedene Studienprojekte vor, die neben der gesetzlich festgeschriebenen Surveillance von HIV-Neudiagnosen am Institut erfolgen. Vier Studien bilden das „Rückgrat der erweiterten HIV-Surveillance in Deutschland“: InzSurv-HIV, MolSurv-HIV, HIV1-Serokonverter und ClinSurv-HIV (s.u.). Weiterhin werden das AIDS-Fallregister, ein Promotionsprojekt zu HIV-Spätdiagnosen sowie die KOKPIT-Studie erläutert.

Insgesamt stellt das RKI fest, dass zwar der Anteil frühzeitig diagnostizierter HIV-Infektionen in einigen Zielgruppen steigt und entsprechend der Leitlinien immer früher mit der Therapie begonnen wird, sodass etwa 95 Prozent der Patient*innen erfolgreich behandelt werden, der Anteil der Spätdiagnosen und AIDS-Fälle bei zuvor bekannter HIV-Infektion blieb in den letzten Jahren jedoch wesentlich unverändert hoch. Daraus folgert das RKI, dass mit den aktuell zur Verfügung stehenden Untersuchungsangeboten diese Zahlen nicht nennenswert verringert werden konnten. Noch offen ist, inwieweit neue Testmöglichkeiten wie etwa der HIV-Selbsttest dazu beitragen können.

InzSurv-HIV untersucht den Anteil rezenter, also kürzlich erworbener (<155 Tage) HIV-Infektionen unter den bestätigten HIV-Neudiagnosen. Diese Analyse, die durch auf Filterpapier getropfte Blutproben erworben wird, erlaubt Aussagen über das aktuelle Infektionsgeschehen, die durch die HIV-Meldedaten gemäß Infektionsschutzgsetz (IfSG) allein nicht möglich wären, und ermöglicht somit Rückschlüsse über Trends über die Zeit in den verschiedenen Zielgruppen und verschiedene Regionen.

60 Prozent aller HIV-Neudiagnosen wurden in 2018 in die Untersuchung einbezogen. Der höchste Anteil kürzlich erworbener Infektionen unter allen HIV-Neudiagnosen fand sich bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) und intravenös Drogengebrauchenden (IVD) sowie den jüngeren Altersgruppen. Der Anteil frühzeitig diagnostizierter Infektionen bei Drogengebrauchenden hat sich von 2017 (38,1 Prozent) zu 2018 (46,3 Prozent) deutlich erhöht. Niedrigere Anteil rezenter Infektionen zeigten sich dagegen bei Menschen mit heterosexuellem Transmissionsrisiko und den älteren Altersgruppen. Das heißt, dass insbesondere heterosexuelle sowie ältere Menschen (in den Altersgruppen 50 bis 50 sowie 60 bis 69 Jahre) erst im späteren Verlauf der Infektion diagnostiziert werden.

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MolSurv-HIV erfasst das aktuelle HIV-Infektionsgeschehen molekular-epidemiologisch mit dem Ziel, übertragene Resistenzen, die verschiedenen HIV-Varianten, Transmissionsnetzwerke sowie sogenannte HIV-Ausbrüche zu identifizieren und zu analysieren. Auch für dieses Verfahren werden rund 60 Prozent aller HIV-Neudiagnosen untersucht. Als HIV-Ausbrüche werden hochfrequente Infektionsketten mit zumeist einer Virusvariante bezeichnet, die in der molekular-epidemiologischen Analyse als eigenständige Cluster sichtbar werden. Diese Cluster, die oftmals bei Drogengebrauchenden beobachtet werden, werden an die zuständigen Landesbehörden und Beratungsstellen vor Ort weitergeleitet, um gezielte Präventionsmaßnahmen bereitstellen zu können.

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Die Serokonverterstudie ist eine seit 1997 durchgeführte multizentrische, prospektive Langzeitbeobachtungsstudie, die den Verlauf der HIV-Infektion bei über 3.600 Patient*innen mit bekanntem Infektionszeitpunkt an rund 45 Studieneinrichtungen niedergelassener Ärzt*innen und Praxen beobachtet. Untersucht werden unter anderem die Übertragung sowie Häufigkeit resistenter HIV-Varianten, der Einfluss von Resistenzen auf die Wirksamkeit der Antiretroviralen Therapie (ART) sowie die Häufigkeit von Koinfektionen mit Hepatitis C.

Die Häufigkeit der Übertragung resistenter Viren ist über den gesamten Beobachtungszeitraum betrachtet rückläufig, in den letzten zehn Jahren jedoch stabil geblieben. Die HCV-Prävalenz in der untersuchten Gruppe betrug 10 Prozent (5 Prozent aktive und 5 Prozent ausgeheilte Hepatitis C), dies entspricht einer 300-fach erhöhten Prävalenz im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.

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ClinSurv-HIV ist eine seit 1999 durchgeführte multizentrische, prospektive Langzeitbeobachtungskohorte von Menschen mit HIV mit unbekanntem Infektionszeitpunkt. Die Kohorte umfasst bundesweit 25.000 Patient*innen an 15 HIV-Kliniken. Ziele ist es unter anderem, die Zahl der Patient*innen in unterschiedlichen Zielgruppen in der Behandlung, die Zusammensetzung des Therapieregimes sowie dessen Einfluss auf den Krankheitsverlauf zu erfassen. Die Daten der Studie werden u.a. genutzt für die jährliche HIV-Schätzung sowie die Berechnung der HIV-Behandlungskaskade (Zahl der Menschen mit HIV, Zahl der Menschen mit HIV mit Diagnose, Zahl der Menschen mit HIV-Diagnose in Behandlung und Zahl der Menschen in Behandlung unter der Nachweisgrenze). Geschätzt ca. 71.400 Menschen mit HIV wurden in 2018 antiretroviral behandelt, davon 95 Prozent erfolgreich (< 200 ml Viruskopien/ml Blut).

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Das AIDS-Fallregister des RKI wird seit 1982 durch Daten zu AIDS-Erkrankungen und AIDS-Todesfällen anonym und auf freiwilliger Basis durch die behandelnden Ärzt*innen gespeist und liefert Hinweise zu Defiziten bei Diagnostik und Versorgung von Menschen mit HIV. AIDS-Erkrankungen und Todesfälle durch AIDS, die dank der guten heute zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten weitgehend vermeidbar wären, geben vor allem Hinweise auf zu späte Diagnosen sowie Defizite in der kontinuierlichen Behandlung. Weniger als 50 Prozent der Fälle werden erfasst, wegen des hohen Meldeverzugs werden die Daten der letzten drei Jahre zusammengefasst: 620 AIDS-Fälle wurden insgesamt vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2018 an das AIDS-Fallregister gemeldet. 80 Prozent der Fälle betrafen Männer und 20 Prozent Frauen. Unter den Männern war der häufigste Übertragungsweg aus allen Fällen mit bekanntem Infektionsrisiko gleichgeschlechtlicher Sex (48,7 Prozent), gefolgt von heterosexuellem Geschlechtsvelehr (20,9 Prozent) und intravenösem Drogengebrauch (5,6 Prozent). Bei den Frauen verteilten sich die Anteile auf heterosexuelle Übertragungswege (67,5 Prozent) und intravenösen Drogengebrauch (4,9 Prozent). Der Anteil von AIDS-Diagnosen bei bereits bekannter HIV-Infektion ist bei Drogengebrauchenden am höchsten, d.h. in dieser Zielgruppe ließe sich die Anzahl von AIDS-Erkrankungen durch bessere Betreuungsangebote für diejenigen mit bekannter HIV-Infektion erreichen.

Die Daten aus oben genannten Studien sind die Grundlage für ein Promotionsprojekt am RKI, das sich mit dem Auftreten von HIV-Spätdiagnosen sowie dem Mortalitätsrisiko durch AIDS in Deutschland beschäftigt. Die drei Teilprojekte des Promotionsvorhabens befassen sich mit den Faktoren von HIV-Spätdiagnosen insbesondere bei heterosexuellen und älteren Personengruppen auf quantitativer sowie qualitativer Basis und mit der Analyse von Risikofaktoren für AIDS-definierende Erkrankungen bei Menschen mit bekannter HIV-Infektion.

Die KOKPIT-Studie hat auf der Basis von über 12.000 Proben aus InzSurv-HIV, MolSurv-HIV und der HIV1-Serokonverterstudie bundesweit epidemiologische und molekulare Daten zu HIV-/HCV-Koinfektionen und HIV- bzw. HCV-Behandlungen im Zeitraum von 2016 – 2019 erhoben und wird diese bis April 2020 auswerten. Die Studie soll Ergebnisse liefern zur Prävalenz von akuten, virämischen (behandlungsbedürftigen) und ausgeheilten HCV-Koinfektionen bei HIV-Neudiagnosen unter IVD, MSM und anderen relevanten Zielgruppen sowie zur Anzahl und zu den Kosten der HIV- und HCV-Behandlungen.

Mehr zur Studie lesen Sie unter rki.de.